Die Geschichte Kirchschlags

ENTSTEHUNG

Erste Spuren - alte Wege

Schon lange bevor der Wald in und um den Breitenstein besiedelt wurde, führten Wege und Handelsrouten durch. Mittelalterliche Siedlungen und Klöster wurden damit verbunden. 

eine Schwarz-Weiß-Zeichnung einer Person mit BartKirchschlag und Umgebung um 1667 (G.M. Vischer)

Die wichtigste Handelsroute war der Haselgraben, der schon 1198 als „alte Saumstraße nach Böhmen“ bezeichnet wurde. Eine weitere wichtige Saumstraße verlief entlang der Großen Rodl von Ottensheim über Gramastetten nach Zwettl und Bad Leonfelden. Einer dieser alten Wege zweigte bei Gramastetten ab und führte zur Burg Reichenau. Er verlief über Eidenberg nach Kammerschlag, durch das Käfermühltal nach Rohrach und weiter nach Kirchschlag. Diese alte „Kommerzialstraße“ führte weiter über Eben durch das Leitnerholz auf direktestem Weg nach Hellmonsödt. Bodenfunde zwischen Kirchschlag und Glasau belegen menschliche Spuren schon lange vor der ersten Besiedlung dieser Gegend.


Schloss Wildberg und die Rodungsdörfer 

Der Nordwald um den Breitenstein gehörte im 12. Jahrhundert den Haunspergern, die Wildberg zu ihrem Herrschaftssitz machten. Unter den Haunspergern, denen bald die Starhemberger folgten, schritt die Rodung des Urwalds rasch voran. Entlang der Kommerzialstraße von Gramastetten nach Hellmonsödt entstanden die Dörfer Kronabittedt, Geitenedt, Rohrach, Kirchschlag und Eben, etwas abseits Davidschlag. Das höchstgelegene Rodungsdorf unter dem Gipfel des „schwarzen Berges“ war Kirchschlag.

Die Herrschaft Wildberg verfügte über ausgedehnten Waldbesitz und Hofwiesen, Kirchschlag zählte zu den bevorzugten Jagdrevieren der Wildberger. Entlang des Weges von der Burg Wildberg nach Kirchschlag entstand Riedl als Rodungsdorf.


DORFGRÜNDUNG

Die Namensgebung

Von den südlichen und westlichen Rodungsdörfern war der Kirchweg nach Hellmonsödt sehr lange und im Winter kaum zu bewältigen.

Daher wurde neben der Pfarrkirche in Hellmonsödt auf dem Schlag südlich des „schwarzen Berges“ eine zweite Kirche (Kapelle) als Filiale von Hellmonsödt gegründet.

1349 wurde in einem Dokument von Adelheid von Wildberg ein Weingarten „zu der Chappeln in dem Chirchslag“ gestiftet. Damit wurde das von den Starhembergern verliehene Benefizium in Kirchschlag finanziert. Graf Erasmus I. von Starhemberg war ein Vorkämpfer des Luthertums, entließ daher im 16. Jahrhundert den katholischen Priester und vergab den Pfarrhof an weltliche Nutzer.

Etwa hundert Jahre später wurde im Zuge der Gegenreformation wieder ein katholischer Priester für Kirchschlag bestellt, die Stelle konnte wegen des Priestermangels jedoch nicht besetzt werden. Somit wurde der Pfarrhof (Kirchschlag Nr. 9) als ältestes Wirtshaus von Kirchschlag genutzt.


Lithographie von Johann Hardinger 1855Die St. Anna-Kirche um 1855 (Johann Hardinger)

Die Annakirche

Die heutige, der hl. Anna geweihten Pfarrkirche dürfte um das Jahr 1645 erbaut und Mitte des 18. Jh. erneuert worden sein.

Erst 1822 bekam Kirchschlag durch eine Stiftung für ein Benefizium (eine Gedenktafel für Georg Pesendorfer an der Außenmauer der Kirche erinnert daran) wieder einen Pfarrer, dafür wurde östlich an die Kirche ein neuer Pfarrhof angebaut. 1921 erlangte Kirchschlag seine Unabhängigkeit von Hellmonsödt und ist seither eine eigene Gemeinde. Die St. Anna Kirche blieb bis 1966 eine Filialkirche von Hellmonsödt, erst in diesem Jahr wurde Kirchschlag zur selbstständigen Pfarre erhoben.

QUELLEN

Von Heilquelle bis Badtourismus

Der Wald um den Breitenstein war immer schon besonders reich an Wasserquellen. Eine Quelle südlich der St. Anna- Kirche - das Bründl – wurde als Heilquelle bekannt.

Bründl-Haus mit Dorfzeile. 1870.Das Bründl-Haus mit der Dorfzeile. Zeichnung um 1870.Die ansässigen Bauern haben dem Bründl früh Heilkräfte zugesprochen und es der Mutter Gottes gewidmet. Derartige Marienandachtsstätten kamen in der Gegenreformation häufig vor. 

Schon im 17. Jh. wurde aus Opfergaben eine hölzerne Kapelle aufgestellt und mit einer Steinplastik der Muttergottes ausgestattet. Man berichtete von wundersamen Heilungen, es entwickelte sich ein regelrechter Badebetrieb, der Anfang des 18. Jh. die ersten Touristen nach Kirchschlag brachte. 

Die beträchtlichen Geldspenden bei der Bründl-Kapelle führten letztlich sogar zu einem Zwist der Starhemberger mit dem Hellmonsödter Pfarrer, die beide Anspruch an diese Geldquelle erhoben.





Ein Schwarz-Weiß-Foto eines Hauses auf einem Hügel mit Bäumen

Das Badhaus

Das Starhembergsche Badhaus wurde 1718 als Jagdhaus der Familie errichtet.

Erst nach 1743 übersiedelte Graf Heinrich Maximilian den gesamten Badebetrieb samt Spendentopf vom Bründl-Haus in das neue Badhaus. Eine Werbekampagne in Linzer Tageszeitungen pries den Kurbetrieb in Kirchschlag und eine eigens beauftragte Wasseruntersuchung stellte die Heilwirkung des Bründlwassers fest.

Am 28.IV.1837 berichtete die „Linzer Zeitung“ folgendes:

„Diese seit dem Jahr 1718 bekannte reinste Wasserquelle wurde bisher von den Ärzten als das größte Auflösungsmittel anerkannt und daher on Leber, Milz- und Getröse- Anschoppungen in der blinden Goldader, in hysterischen und hypochondrischen Beschwerden, in Podagra, in Gallund Hautkrankheiten als heilsam angerühmt.“

Doch schon wenige Jahrzehnte später flaute der Badtourismus ab und das Badhaus kam 1811 in bürgerlichen Besitz. Eine unabhängige Wasseruntersuchung zeigte, dass das Kirchschlager Wasser eigentlich keinerlei Inhaltstoffe besitzt und somit auch keine nachgewiesene Heilwirkung hat.

SOMMERFRISCHE

Luftkurort und Sommerfrische

Auch wenn sich Kirchschlag nicht als Bad Kirchschlag manifestieren konnte, es war bei angesehenen Linzer Bürgersfamilien sehr beliebt als Luftkurort und zur Naherholung. Der Bau der Landvillen begann. 

ein Feld mit ein paar Bäumen und Häusern im Hintergrund1827 umfasste Kirchschlag 21 Häuser und 115 Einwohner:innen, bis Ende des Jahrhunderts verdoppelte sich der Hausbestand nahezu, großteils durch die bürgerlichen Villen der erfolgreichen Linzer Unternehmersfamilien.

Der Linzer Baumeister Johann Metz errichtete 1858 östlich des Badhauses das erste bürgerliche Landhaus und verkaufte es später an eine Linzer Baronin weiter. Schon 1861 erbaute er das zweite Landhaus, die obere Metz Villa, die heutige Stifter Villa. Er bewohnte sie selbst mehr als 10 Jahre und empfing in dieser Zeit des öfteren Adalbert Stifter, wenn dieser seine Kuraufenthalte im Badhaus pflegte.

1860 wurde auch jene Quelle gefasst und nach Kronprinz Rudolf benannt, die schon Adalbert Stifter pries und deren Reinheit auch heute noch viele Leute zum Wasserholen anlockt – die Rudolfsquelle.

eine HäuserzeileDie ersten Zweitwohnsitze

In den 70er Jahren des 19. Jh. ließen mehrere Linzer Bürgersfamilien ein Ensemble an Landhäusern errichten, das später als die „Villenzeile von Kirchschlag“ benannt wurde. Heute steht nur noch das östlichste Gebäude davon, das unmittelbar an den Kindergarten anschließt. 

Bis in die frühen 90er Jahre des 19. Jh. wurden weitere Landhäuser rund um die Dorfzeile der Bauernhöfe gebaut oder ältere Häuser von Bürgersfamilien erworben und adaptiert. Dann kam die Bautätigkeit zum Stillstand, denn die reichen Linzer Bürgersfamilien verlegten ihre Sommerfrische in das Salzkammergut, das durch den Ausbau der Eisenbahn leichter erreichbar wurde.

BÜRGERLICHER EINFLUSS

Gönner und Förderer

Viele Familien, die in Kirchschlag eine Landvilla errichteten, waren dem bäuerlichen Dorf freundschaftlich verbunden und taten sich als Förderer hervor. 

Besonders hervorgehoben sei der Fabrikant Josef Mayrhofer, der Besitzer des mittleren Gebäudes der Villenzeile in Kirchschlag und Eigentümer der Lederfabrik im Haselgraben. 1875 erwarb er ein Grundstück in der Nähe der oberen Metz Villa und errichtete auf eigene Kosten eine Volksschule. 1885 übergab er das Schulgebäude mit Urkunde der Schulgemeinde Kirchschlag. Mayrhofer stiftete auch einen neuen Kreuzweg für die St. Anna-Kirche und finanzierte den Ausbau des Badhauses. Er erwarb noch zwei landwirtschaftliche Anwesen, wodurch auch seine Nachkommen noch lange mit Kirchschlag verbunden blieben.

Eng verbunden mit Kirchschlag war auch der Linzer Oberlandesgerichtsrat Dr. Hugo Ritter von Grienberger. Er war ein eifriger Maler und hielt zwischen 1850 und 1900 viele Motive aus Kirchschlag in Zeichnungen, Aquarellen und Ölgemälden fest. In seinem Landhaus, die westliche Villa der Villenzeile beschäftigte er sich auch mit Astronomie und ließ dazu im markanten Turmvorbau eine Sternwarte errichten.

Bis heute sind die beiden Landhäuser erhalten, die der erfolgreiche Linzer Baumeister Johann Metz in Kirchschlag errichtete. Während seiner Aufenthalte pflegte er nicht nur seine freundschaftliche Beziehung zu Adalbert Stifter sondern auch zur Familie des Linzer Buchhändlers Quirin Haslinger, dessen Sohn Kamillo die Landvilla seiner Familie am Breitenstein das ganze Jahr bewohnte.

Viele wohlhabende Familien aus Linz bauten Beziehungen zu den Kirchschlager Bauersfamilien auf, die über viele Generationen hielten und auch in der zweiten Hälfte des 20 Jh. zu häufigen Sach- und Geldspenden für Kirchschlag führten.

Text             

Schulstiftung

„Kirchschlag ist im Laufe der Zeit der traditionelle Erholungsort für unsere Familie geworden. 

Ich selbst habe am Abende meines reichbewegten Arbeitslebens auf dieser herrlich gelegenen Bergeshöhe mit seinen duftenden Wäldern und köstlichen Quellen einen wohltuenden Ruhepunkt gefunden. 

Doch wenn die Natur gibt, so nimmt sie auch wieder – und der schönen Zeit voll Stärkung und Labung folgt hier ein langer, harter Winter mit all seinen Schrecknissen und Ungestüm. 

Wer aber hat darunter mehr zu leiden als die armen Schulkinder auf dem weiten, häufig ungebahnten Wegen! 

Der Gedanke, dass durch Errichtung einer Volksschule hier in Kirchschlag den Kindern ein großer Liebesdienst und der ganzen Gegend eine bleibende Wohltat erweisen würden, lag nahe – und in der Absicht, gerade die Kleinen meiner eigenen Wohlbefindnis auf diesen Bergen theilhaftig zu machen – habe ich zur Verwirklichung derhalben nach meinen Kräften beizutragen gesucht. 

Heute ist die Schulgemeinde Kirchschlag constituiert und steht das Schulhaus fertig da. ...“

(Schenkungsurkunde von J. Mayrhofer, 1885)


LANDWIRTSCHAFT

Die Dorfzeile

In Kirchschlag ist Landwirtschaft nicht nur durch die prägnante Architektur der Dreikanthöfe allgegenwärtig, weidende Kühe im Ortsgebiet gehören zum Alltagsbild.

ein Schwarz-Weiß-Foto einer Stadt mit Bäumen und einem HügelPostkarte, 1950er JahreKirchschlag hat sich in den letzten Jahrzehnten markant verändert, aber die Bauernhöfe definieren immer noch den Charakter des Orts. Man kann heute noch genau erkennen, wie die Siedlung im 13. Jhdt. angelegt wurde. Direkt unter dem Gipfel des Breitenstein reihen sich die Gründungshöfe von Nord nach Süd wie an einer Perlenschnur und bilden die Dorfzeile: „Blümel“, „Pameder“, „Maurer",  "Proier", "Scharinger" und "Nobis" westlich der Straße, "Toni-Seppn" und "Pfarrhofer" östlich. Nur der Pamederhof und der Pfarrhofer (Gasthaus Liedl) stehen heute nicht mehr.

Wurzeln bäuerlichen Lebens

Der Boden im Mühlviertel ist karg und steinig, das Wetter war auf beinahe 1000m Seehöhe immer schon deutlich rauer. 

Bis in die zweite Hälfte des 20. Jh. bedeutete Landwirtschaft mühsame körperliche Arbeit ohne nennenswerte maschinelle Unterstützung. Die Erträge von Roggen, Hafer und Gerste waren nicht üppig, Viehzucht stand im Vordergrund. Auch heute wird in Kirchschlag noch aktiv Landwirtschaft betrieben. Die Betriebe sind aufgrund der steilen Hänge eher klein strukturiert, daher verkaufen viele ihre Produkte ab Hof oder die Landwirtschaften werden im Nebenerwerb geführt. Die Kirchschlager Speis, eine online Plattform der heimischen Bauern, zeigt, wie vielfältig das regionale Angebot ist: saisonales Obst und Gemüse, Fleisch und verschiedenste Milchprodukte können hier frisch gekauft werden. Lebensmittel, die vor der Haustüre wachsen: keine Selbstverständlichkeit sondern ein Luxus, den wir wieder zu schätzen lernen. Bereits in den 1990er Jahren haben einige landwirtschaftliche Betriebe auf biologische Wirtschaftsweise umgestellt.